Universität Bonn

Sound Design in digitalen Umwelten

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Sampling

Im Folgenden wird das Phänomen Sampling aus dreierlei Perspektive betrachtet:

(1) aus der Perspektive der Signalverarbeitung

(2) aus einer Instrumenten- und objektbezogenen Perspektive

(3) aus Perspektive der musikalischen Praxis


Sampling - Signalverarbeitung

In der Signalverarbeitung wird die Analog-Digital-Wandlung von Klang auch als Sampling bezeichnet. Ein zeitkontinuierliches Signal wird zu einem zeitdiskreten Signal umgewandelt. Dieser Prozess wird mitunter auch Abtastung genannt. Abtastung meint hierbei die Registrierung und Entnahme von Messwerten (Samples) zu diskreten, oftmals äquidistanten Zeitpunkten. Die Häufigkeit oder Frequenz der Abtastung wird Abtastfrequenz, Samplefrequenz oder Samplerate genannt. In der Audiosignalverarbeitung gibt die Samplerate an, wie oft ein Signal pro Sekunde abgetastet wird. Jedes abgetastete Sample enthält damit eine Information über den Amplitudenwert einer Wellenform im Verhältnis zur Zeit.

Dieser Vorgang ist essentiell für die digitale Speicherung, Übertragung und Verarbeitung von Audiosignalen. Erst das Umsetzen von analogen Signalen in Daten und damit in ein digitales Format ermöglicht überhaupt das Musizieren mit und durch den Computer. Sampling ist damit eine notwendige Bedingung für die musikalische Nutzung von Computern. Bereits in den 1930er-Jahren wurden zeitgleich in den USA und in der UDSSR die theoretischen Grundlagen für das Sampling-Theorem gelegt. Claude Shannon und Wladimir Kotelnikow konnten mathematisch beweisen, dass analoge Signale eine Vielzahl an überflüssigen Informationen enthalten können. Dieser Informationsüberschuss kann die Speicherung, Übertragung und Verarbeitung von den relevanten Informationen behindern. Um das Ausgangssignal zu reproduzieren, genügt Shannon und Kotelnikow zufolge jedoch die Übertragung einzelner, zeitlich regelmäßig entnommener Werte.

Analog zum Film, bei dem durch 24 Bilder pro Sekunde die Illusion eines kontinuierlichen Bildablaufes entsteht, genügt dem Ohr ebenfalls eine dichte Aufeinanderfolge von Signalen, um so ein kontinuierliches Klangereignis entstehen zu lassen. Hierbei gilt: Um ein Audiosignal mithilfe von diskreten Werten reproduzieren zu können, muss die Anzahl der erforderlichen Amplitudenwerte pro Sekunde mindestens gleich doppelt so hoch sein wie die Breite des vom Signal beanspruchten Frequenzbandes. Das beanspruchte Frequenzband ist in diesem Fall durch den menschlichen Wahrnehmungsapparat begrenzt, der auf Frequenzen zwischen ca. 20 Hz und 20.000 Hz reagiert. Ist die obere Grenzfrequenz also 20 kHz, so muss die Abtastfrequenz mindestens 40 kHz betragen, um das Audiosignal für das menschliche Gehör reproduzieren zu können. Mit der Entwicklung diverser Medien und Formate, haben sich für unterschiedliche Bereiche und Zwecke der Audiosignalverarbeitung, -übertragung und/oder -speicherung auch unterschiedliche Sampleraten als Standards durchgesetzt. So liegt die Samplerate einer CD bei 44.1 kHz. Musikstreamingdienste arbeiten mit 48 kHz, wie auch die meisten DAWs. In einigen Tonstudios und Filmtonstudios wird mit 96 kHz gearbeitet.

Abtastung / Samplerate
© Max Alt
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Kontinuierliche Reduktion der Samplerate
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Sampleratenreduktion: Loop 1 (original), Loop 2 (8 Bit bei 4 kHz), Loop 3 (8 Bit bei 1 kHz), Loop 4 (4 Bit bei 4 kHz)

Frühe Sampler und Sample-Instrumente

Sampling als musikalische Medienpraxis ist aus der digital vernetzten Gesellschaft nicht wegzudenken. Entlang diverser Sample-Instrumente lässt sich durchaus eine Musik- und Mediengeschichte des Samplings schreiben. Im Folgenden soll ein kleiner Überblick über die frühen und heute ikonischen Sampler und ihre musikalische wie soziokulturelle Funktion gegeben werden.

Spätestens seit Mitte der 1980er-Jahre sind Sampling und Sampler eng verknüpft mit Genre wie Hip-Hop oder Electronic Dance Music (EDM). Im Anschluss an die musikalischen Praktiken dieser Genres wird unter Sampling gemeinhin die Wiederverwertung eines Ausschnitts einer bereits existierenden Aufnahme zur Produktion einer neuen Audioaufnahme bezeichnet. Diese Definition trifft zwar einige wichtige Punkte, die Entnahme und Aneignung existierender Aufnahmen bspw., verdeutlicht jedoch auch das urheberrechtliche Problem, dass sich durch jene Sampling-Praxis ergibt: Handelt es sich beim Sampling um ein musikalisches Zitat, etwas gänzlich Neues oder um Diebstahl geistigen Eigentums?

Die vorgeschlagene Definition von Sampling greift ohnehin zu kurz. Denn durch die Verwendung digitaler Technologien ist es möglich, sämtliche Sounds aufzunehmen, zu speichern, zu bearbeiten und zu reproduzieren. Sampling als musikalische Praxis betrifft weit mehr als nur die Arbeit mit aufgenommener Musik. Sampling als musikalische Praxis meint die Fragmentierung sowie das De- und Rekonstruieren der klingenden Wirklichkeit, um sie in einen musikästhetischen Zusammenhang zustellen. Als Ursprung moderner Sample-Instrumente wird häufig das Mellotron (1963) herangezogen. Dabei handelt es sich um ein elektromechanisches Tasteninstrument, das diverse Instrumentenklänge auf Tonband bereithält. Über eine Klaviatur können die aufgezeichneten Klänge mithilfe eines recht komplexen Abspielmechanismus dann wiedergegeben werden. Vor allem in den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren ist das Mellotron auf einer Vielzahl von Platten zu hören. Exemplarisch dafür stehen Songs wie „Strawberry Fields Forever“ von The Beatles (Parlophone 1967), „Come Away Melinda“ von Uriah Heep (Vertigo 1970) oder „Hole in My Shoe“ von Traffic (Island Record 1967).

Den nächsten Schritt in der Entwicklung des Samplers markiert das „Fairlight CMI I“ aus dem Jahr 1979. „CMI“ steht hierbei für Computer Musical Instrument und verdeutlicht, dass es sich bei diesem Instrument um einen eigenständigen Musikcomputer handelt. Das Instrument, ein digitaler Synthesizer mit avancierter Sampling-Technologie, verfügt über einen eigenen Monitor, eine Computertastatur, ein bis zwei Klaviaturen sowie dem sogenannten Lichtgriffel, eine Art Stift zur Eingabe von Befehlen oder dem Zeichnen von Wellenformen auf dem Bildschirm des Monitors. Das „Fairlight CMI I“ arbeitet mit einem eigenen Betriebssystem namens „QDOS“, das vor allem für die Sequenzer-Funktion „Page-R“ geschätzt wurde. Das „Fairlight CMI I“ ist damit eine umfangreiche Workstation, vergleichbar mit heutigen computergestützten Musikproduktionsumgebungen. Vor allem Peter Gabriel und Kate Bush sind bekannt dafür intensiv mit dem „Fairlight CMI“ gearbeitet zu haben. Songs wie „San Jacinto“ von Peter Gabriel (Geffen 1982), „Babooshka“ (Harvest Records 1980) und „Running Up That Hill (A Deal with God)“ von Kate Bush (EMI 1985) geben einen kleinen Einblick in die Sounds des „Fairlight CMI“.

Gegenüber den frühen analogen und digitalen Samplern oder Workstations wie dem „Fairlight CMI“, deren Klangwelt auf das Artifizielle und Übernatürliche ausgerichtet sind, so verfolgen andere Instrumente aus der Zeit genau das gegenteilige Ziel. Der „LM-1 Drum Computer“ der Firma Linn Electronics aus dem Jahr 1980 wirbt gerade mit dem Sound von „Real Drums“. Realität, Wirklichkeit und authentischer Drum-Sound werden digital gespeichert und sollen per Knopfdruck abrufbar sein. Die „LM-1“ unternimmt nicht den Versuch die auditive Realität des Schlagzeugs synthetisch zu erzeugen, sondern sie in Form von zwölf Samples zu rekonstruieren. Nach heutigen Standards und Hörgewohnheiten sind diese Samples jedoch alles andere als realistisch. Das liegt vor allem an der niedrigen Samplerate von ca. 27 kHz. Nichtsdestotrotz ist die „LM-1“ ein damaliger Verkaufsschlager, weswegen man ihren Sound auf vielen Produktionen der 1980er-Jahre und bis heute noch hören kann. Die Maschine wird vor allem mit dem Künstler Prince in Verbindung gebracht, der ihre Potentiale ausgereizt hat. Ob in „I Would Die 4 U“ (Warner Bros. Records 1984), „Little Red Corvette“ (Warner Bros. Records 1982) oder „When Doves Cry“ (Warner Bros. Records 1984), die Linn Drum „LM-1“ zieht sich durch eine Vielzahl von Prince Songs. Darüber hinaus hört man die „LM-1“ jedoch auch in Songs wie „Big in Japan“ von Aplhaville (Warner/Atlantic 1984), „Wanna be Startin‘ Somethin‘“ von Michael Jackson (Epic Records 1982) oder „Last Christmas“ von Wham! (Columbia Records 1986).

Selbstverständlich sind in Anschluss an die genannten Sampling-Instrumente weitere Geräte zu nennen, die in direkter oder indirekter Linie zu ihren Vorgängern stehen. So arbeitete Roger Linn, Erfinder der „LM-1“, nach dem Bankrott von Linn Electronics bei der japanischen Firma Akai an dem bis heute ikonisch gewordenen Design der „MPC 60“. Die Anordnung von 16 Pads in vier Reihen wird mit der „MPC“ zum Standard nicht nur für die bis heute weiterentwickelten „MPC“-Modelle, sondern auch für andere Sample-Instrumente, Software-Controller oder auch Sample-Devices in der DAW (bspw. das Drumrack-Device in Ableton Live). Entsprechend hat sich Markt für Sampler und Sample-gestützte Instrumente seit der Etablierung digitaler Musiktechnologien stark ausgeweitet, womit ein umfassender Überblick über alle Geräte und Funktionen kaum zu bewerkstelligen ist.


Sampling in der musikalischen Praxis

Werden aus einer bestehenden Aufnahme einzelne Teile entnommen und zu einer eigenständigen Produktion zusammengefügt, spricht man in der Musikpraxis ebenfalls von Sampling. Hierbei spielt es keine Rolle, ob nur einzelne Sounds oder längere Passagen „gesampelt“ werden. Entscheidend ist, dass die entnommenen Parts editiert, re-arrangiert und in neue musikalische und musikkulturelle Kontexte gesetzt werden können. Es lassen sich unterschiedliche Sampling-Strategien feststellen.

Sampler wurden und werden zur Simulation von Instrumenten eingesetzt. Dafür wird ein Instrument (inkl. der menschlichen Stimme) vielfach gesampelt und in einer Sample-Library gebündelt. Aus dieser Sound-Datenbank heraus lässt sich das digitalisierte Instrument nun reproduzieren und spielen. Vor allem die ersten Samplerinstrumente waren auf diesen Anwendungszweck ausgelegt (s.o.).

Eine weitere Strategie zielt darauf, über Techniken und Praktiken des Samplings musikalische und musikkulturelle Bedeutung zu erzeugen. Hierbei werden Samples aus ihren Ursprungskontexten entnommen und in neue Zusammenhänge eingebunden. Entweder überträgt das Sample den Ursprungskontext auf die neue Produktion oder das Sample wird in gänzlich neue, womöglich widerständige Kontexte eingebunden. Es gibt einige Samples, die in der Popmusikgeschichte stets in neuen oder tradierten Kontexten wieder auftauchen. Hierbei lassen sich spannende Zirkulationsbewegungen popkultureller Artefakte beobachten. Eines dieser Samples ist „Funky Drummer“ von James Brown.

„Funky Drummer“ wurde als Funk-Instrumentalstück am 20.11.1969 in den King Studios in Cincinnati aufgenommen und produziert und im März 1970 auf King Records veröffentlicht. Dieser neun Minuten und dreizehn Sekunden lange Jam, bei dem James Brown im Scat-Stil mit seiner Band kommuniziert, war anfangs wenig erfolgreich. Was dem Song ca. fünfzehn Jahre später zu seiner Popularität verhalf und zu einem der meistgesampelten Songs überhaupt machte, ist ein bei Minute 5:22 einsetzendes Drum-Solo des Schlagzeugers Clyde Stubblefield. Als eine der ersten Veröffentlichungen, in denen „Funky Drummer“ als Sample zum Einsatz gekommen ist, gilt „The Classy M.C.‘s“ (Barnes Records 1985) von MC Quick Quentin und MC Mello J aus dem Jahr 1985. 1988 folgt dann „Follow the Leader“ (Uni/MCA 1988) von Eric B. & Rakim. Ebenfalls 1988 bringt AKAI die erste, bis heute legendäre MPC (Music Production Center) auf den Markt, die nicht nur das Sampling als musikalische Praxis vereinfachte, sondern zu einem in der Hip-Hop-Kultur weitverbreitetem Instrument werden soll. 1990 erscheint LL Cool J’s „Mama said knock you out“ (Def Jam 1990), was das Funky-Drummer-Sample in den Mainstream trägt und dafür sorgt, dass allein 1990 ca. 220 Singles veröffentlicht werden, die auf der mittlerweile 20 Jahre alten James Brown Single beruhen. Das Sample findet bis heute seinen Einsatz in der Popmusik und hat mittlerweile seinen Weg aus der Funk- und Hip-Hop-Kultur der 1980er- und 1990er-Jahre herausgefunden und wird stets in neue Bedeutungskontexte eingebunden. So verwenden bspw. Korn in „Kick the P.A.“ (EPC 1997) das Sample, um ihrem Crossover aus Hip-Hop und Metal mithilfe einer Hip-Hop-kulturellen Referenz mehr Fundament zu verleihen.

Neben solch ikonischen Samples und popmusikhistorisch relevanten Zusammenhängen hat sich Sampling mittlerweile zu einer weitverbreiteten und gängigen Praxis der Musikproduktion entwickelt. Das Arbeiten mit bereits aufgenommenen Sounds in der DAW gehört zum Standardrepertoire der Musikproduzierenden und stellt eine Kernkompetenz der Musikproduktion dar.
 
Mit der Verbreitung von diversen Sampling-Techniken und Praktiken treten urheberrechtliche Fragen und Probleme auf, die vielfach diskutiert werden. Ab wann ist ein künstlerisches Produkt eigenständig, wenn es auf bereits aufgenommenem und urheberrechtlich geschütztem Material beruht? Wie stark muss ein Sample verfremdet sein, dass es als eigenständiges, geistiges und künstlerisches Produkt verstanden werden kann? Dies sind nur zwei mögliche Fragen, die es rechtlich bei der Veröffentlichung von Songs zu beantworten gilt, die erheblich Gebrauch von Samples machen. Einige Autoren wie Simon Reynolds in „Retromania“ gehen sogar so weit, Sampling aus einer marxistischen Perspektive als eine Form der Enteignung und Ausbeutung zu verstehen. Ungeachtet solch radikaler Positionierungen gehört Sampling über die Jahrzehnte der Popmusikgeschichte zu einer weitverbreiteten musikalischen Praxis, die über alle Genre-Grenzen hinweg produktiv Anwendung findet. Um jedoch rechtlichen Problemen aus dem Weg zu gehen, bieten sich mittlerweile einige Optionen an. So haben sich u.a. cloudbasierte Plattformen wie Splice etabliert, die ein großes Archiv an kommerziell nutzbaren Samples zur Verfügung stellen und das digitale Arbeiten mit Samples vereinfachen und rechtlich absichern.


  • Harkins, Paul. Digital Sampling. The Design and Use of Music Technologies. New York/London: Routledge 2020.
  • Pelleter, Malte. „Futurhythmaschinen“. Drum-Machines und die Zukünfte auditiver Kulturen. Lüneburg: Georg Olms Verlag 2020.
  • Reynolds, Simon. Retromania. Warum Pop nicht von seiner Vergangenheit lassen kann. Mainz: Ventil-Verlag 2013.
  • Ruschkowski, André. Elektronische Klänge und musikalische Entdeckungen. Ditzingen: Reclam 1998.

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