Universität Bonn

Sound Design in digitalen Umwelten

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Mikrofone

Mikrofone sind Schallempfänger und -wandler. Die Aufgabe eines Mikrofons besteht also darin, eintreffende Schallsignale in elektrische Signale umzuwandeln. Die Wandlung erfolgt bei fast allen Modellen über eine Membran, die durch die eintreffenden Schallwellen zum Schwingen angeregt wird. In einem ersten Schritt werden die Schallwellen mithilfe einer Membran in mechanische Schwingungen umgewandelt. Erst die mechanischen Schwingungen der Membran werden proportional in elektrische Spannungen übersetzt. Die elektrische Spannung, die vom Mikrofon erzeugt und weitergegeben wird, bildet also weniger die Schallwellen selbst ab, als die Bewegung der Membran. Je besser die Membran den Schallwellen folgen kann, desto getreuer ist das ausgegebene Signal. Durch die Materialität der Membran und die Bauart des Mikrofons bedingt übernimmt die Membran damit eine nicht unerhebliche Gatekeeper- und Filter-Funktion, die bestimmt, welche Frequenzen letztlich übertragen, aufgenommen und damit hörbar gemacht werden können. Grundsätzlich gilt, dass die Wahl des Mikrofons einen großen Einfluss auf den Klang der Aufnahme nimmt. Schon im Aufnahmeprozess eröffnet sich mit der Wahl und der Positionierung des Mikrofons eine große Palette an möglichen Klangfarben. Soll der Raum zu hören sein? Wie detailreich soll der Klang sein? Soll die Klangquelle so neutral wie möglich aufgezeichnet werden oder bereits eine Färbung erhalten?


Mikrofontypen

Tauchspulenmikrofone (elektrodynamische od. dynamische Mikrofone)

Unter den elektrodynamischen Mikrofonen ist das Tauchspulenmikrofon das weit verbreitetste. Das Funktionsprinzip versteckt sich schon im Namen. Eine Schwingspule ist an der Membran befestigt und „taucht“, sobald die Membran von eintreffenden Schallwellen in Bewegung gesetzt wird, in einen Luftspalt eines Dauermagneten ein. Durch die Bewegung im starren Magnetspalt wird eine schwingungsproportionale Wechselspannung in der Spule induziert. Die Richtcharakteristik von Tauchspulenmikrofonen wird über sogenannte akustische Laufzeitglieder realisiert, wodurch sich ein nach hinten akustisch halb geschlossenes System ergibt.

Tauchspulenmikrofone zeichnen sich durch eine hohe Robustheit, eine gute bis sehr gute Impuls- und Signaltreue und ihre kompakte Bauweise aus. Sie sind relativ lautstärkeunempfindlich, weswegen sie sich hervorragend für die Bühne, zur Schlagzeug- oder Verstärkermikrofonierung. Historisch wichtige Modelle, die sich in der Bühnen- und Studiopraxis durchgesetzt haben sind u.a. das Shure SM58, Shure SM57, Shure SM7b, Sennheiser MD 421, Sennheiser MD 441, das Shure 55SH oder das Electrovoice RE-20.

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Kapsel eines Tauchspulenmikrofons © Max Alt

Bändchenmikrofone (elektrodynamische od. dynamische Mikrofone)

Wie das Tauchspulenmikrofon greift auch das Bändchenmikrofon auf das Prinzip der elektromagnetischen Induktion zurück. Hier übernimmt ein dünnes Aluminiumbändchen, welches zwischen den beiden Polen eines Dauermagneten aufgehängt ist, die Doppelfunktion von Membran und Spule. In anderen Worten: Die Membran ist selbst elektrischer Leiter, der im Magnetspalt schwingt. Da das Aluminiumbändchen eine deutlich geringere Masse halt als eine Membran mit Drahtspule, kann es den eintreffenden Schallwellenpräziser folgen. Zwangsläufig ist die induzierte Spannung durch ein solchen Bändchen gegenüber einer Drahtspule wesentlich geringer. Die induzierte Spannung ist tatsächlich derart gering, dass Bändchenmikrofone stets mit einem Aufwärtsübertrager zur Multiplikation der Signalspannung ausgestattet sind.

Eine Besonderheit von Bändchenmikrofonen ist bauartbedingte Bidirektionalität, d.h. sie sind für frontal wie für rückseitig eintreffende Schallwellen in gleichem Maße empfindlich. Seitlich eintreffender Schall hingegen wird sehr stark gedämpft, wodurch sich Störquellen durch eine richtige Positionierung gut isolieren lassen. Damit hat das Bändchenmikrofon aufgrund seiner Bauart eine „feste Acht“ als Richtcharakteristik. Bändchenmikrofone wurden bereits in den frühen 1930er-Jahren kommerziell hergestellt und vermarktet. Ihre Klangqualität war den anderen Mikrofontypen der Zeit deutlich überlegen und hatte großen Einfluss auf Rundfunk- und Musikproduktionen. Bekannte Modelle, damals wie heute, sind das RCA Photophone Type PB-31, RCA 44a, Shure Model 50 sowie Beyerdynamic M 160.

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© Max Alt

Kondensatormikrofone

Auch bei den Kondensatormikrofonen versteckt sich das Funktionsprinzip im Namen. Eine sehr leichte, dünne Membran aus metallisiertem Kunststoff (zumeist eine goldbedampfte Mylarfolie) oder eine elektrisch leitende, hauchdünne Metallfolie bildet zusammen mit einer Gegenelektrode einen Kondensator. Membran und Gegenelektrode stehen sich in einem sehr geringen Abstand von wenigen Tausendstel Millimetern gegenüber. Die vom eintreffenden Schall angeregte Membran beginnt zu schwingen und verändert so proportional zu den Schwingungen den Abstand zwischen den Elektroden, wodurch sich die Kapazität des Kondensators verändert. Um die Kapazitätsschwankungen in ein elektrisches Signal umzuwandeln, wird der Kondensator über einen hochohmigen Widerstand mit einer Vorspannung aufgeladen. Kondensatormikrofone benötigen daher stets eine Spannungsversorgung. Hier hat sich die sogenannte Phantomspeisung von 48 V als Standard durchgesetzt. Sie wird i.d.R. von einem Mischpult oder Audio-Interface erzeugt und über das XLR-Mikrofonkabel übertragen.

Die Vorteile von Kondensatormikrofonen ist ihre hohe Signaltreue. Die sehr dünne und leichte Membran ermöglicht eine präzise Abbildung eintreffender Schallwellen. Dies macht sich vor allem in höheren Frequenzbereichen bemerkbar, weshalb Kondensatormikrofonen gegenüber anderen Mikrofontypen eine höhere Klarheit und Transparenz zugeschrieben wird. Ihr Einsatzgebiet ist vielseitig und reicht von Gesang, über akustische Instrumente zu Raumaufnahmen. Die Richtcharakteristik von Kondensatormikrofonen ist flexibel und in nicht wenigen Modellen regelbar. Dies wird entweder über eine Kombination von zwei Membranen mit gleicher Gegenelektrode erreicht oder über Laufzeitglieder.

Kleinmembran-Kondensatormikrofon

Man unterscheidet zwischen Kleinmembran- und Großmembran-Kondensatormikrofonen. Branchenüblich spricht man von einem Kleinmembran-Kondensatormikrofon, sobald die Membran einen Durchmesser von weniger als einem Zoll (25,4 mm) aufweist, wobei der gängige Membrandurchmesser von Kleinmembran-Modellen einen halben (12,7 mm) oder ein Viertel-Zoll (6,35 mm) misst. Kleinmembran-Kondensatormikrofone haben einen akustischen Vorteil im höheren Frequenzbereich und bieten eine gleichmäßigere Richtcharakteristik über das ganze Frequenzspektrum, weshalb ihnen eine „klangliche Neutralität“ zugeschrieben werden kann. Zudem werden Schallwellen durch die kompakte zigarrenförmige Bauweise von Kleinmembran-Kondensatormikrofonen weniger beeinflusst, was ebenfalls in einer höheren Signaltreue resultiert. Das wohl bekannteste Kleinmembran-Kondensatormikrofon ist das Neumann „KM184“.

Großmembran-Kondensatormikrofon

Großmembran-Kondensatormikrofone hingegen weisen Membrandurchmesser von einem Zoll oder größer auf, auch wenn einige Modelle auch kleinere Membranen aufweisen können. Großmembran-Mikrofone fallen durch eine stärkere Färbung des Signals auf. Sie haben mehr „Charakter“. Sie besitzen einen ausgeprägten richtungsabhängigen Amplitudenfrequenzverlauf, der eine hörbare Dämpfung der Höhen erzeugt, was als angenehm und „warm“ empfunden wird. Das großvolumige, schwere Gehäuse stellt zudem im Schallfeld einen Störkörper dar, der die Ausbreitung des Schalls in näherer Umgebung des Mikrofons stark beeinflusst. Durch einen klanglich abgerundeten Nahbesprechungseffekt, den diese Modelle bauartbedingt mit sich bringen, sowie den akustischen Gegebenheiten durch Membran und Gehäuse eröffnen sich mithilfe von Großmembran-Kondensatormikrofone eine Vielzahl an klanglichen Gestaltungsmöglichkeiten schon während der Aufnahme. Gerade diese Qualitäten machen neben den hervorragenden technischen den Reiz bei der Arbeit mit diesem Mikrofontyp aus. Populäre und ikonische Modelle sind das Neumann „CMV 3“, die sogenannte „Neumann-Flasche“ aus dem Jahr 1928, das Neumann „U87“ und „U67“, das AKG „C414“ sowie das Neumann/Telefunken „U47“.

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Richtcharakteristik

Die Richtcharakteristik eines Mikrofons beschreibt die Empfindlichkeit eines Mikrofons im Verhältnis zum Schalldruck und des Schalleinfallswinkels. Die Richtcharakteristik ist stets frequenzabhängig. Sie gibt also das Richtungsmaß für verschiedene Frequenzen an. Anders formuliert: Die Richtcharakteristik gibt an, wie empfindlich ein Mikrofon auf auftreffende Schallwellen mit unterschiedlicher Frequenz, Lautstärke und Richtung reagiert. Sie wird oft in sogenannten Polarkoordinatendiagrammen angezeigt.

Die wichtigsten Formen der Richtcharakteristik sind die Kugelrichtcharakteristik (kurz: Kugel), die Achterrichtcharakteristik (kurz: Acht) und die Nierenrichtcharakteristik (kurz: Niere) mit den Unterarten Super- und Hypernierenrichtcharakteristik. Auf die drei Hauptarten soll im Folgenden eingegangen werden.

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Kugelrichtcharakteristik

Bei der Kugelrichtcharakteristik ist die Mikrofonmembran für alle Schalleinfallsrichtungen in gleicher Weise empfindlich. Das Mikrofon empfängt also alle umgebenden Signale gleichberechtigt. Aufgrund der immer kürzer werdenden Wellenlänge beugt sich der Schall oberhalb von 5 kHz nicht mehr vollständig um die Kapsel, sodass sich die Kugelrichtcharakteristik mit steigender Frequenz der Nierenrichtcharakteristik annähert. Ihren Einsatz finden „Kugeln“ vor allem in Konzertsälen, Filmproduktionen, als Raummikrofone oder auch in der Konferenztechnik.

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Achterrichtcharakteristik

Ein Mikrofon mit Achterrichtcharakteristik ist unempfindlich gegenüber seitlich eintreffendem Schall. Die Richtcharaktersitik resultiert aus einer beidseitig ansprechbaren Membran. Nur von vorn oder von hinten eintreffender Schall führt zur Auslenkung der Membran. Seitlich eintreffender Schall hingegen wird durch die Charakteristik enorm gedämpft. Eine Besonderheit der „Acht“ ist, dass sie im Vergleich zu den anderen Richtcharakteristiken relativ frequenzstabil, d.h. ihre Achterform über das gesamte Frequenzspektrum unverändert bleibt. Dies gilt jedoch nur für ein-membranige Mikrofone mit Achterrichtcharakteristik. Diese natürliche oder sogenannte „feste Acht“ findet sich bauartbedingt vor allem bei Bändchenmikrofonen (ribbon mic). Demgegenüber gibt es auch einige Kleinmembran-Kondensatormikrofone mit „fester Acht“. Auch andere Mikrofone können eine Achterrichtcharakteristik aufweisen, hierfür werden jedoch zwei Nieren-Membrankapseln benötigt, die Rücken an Rücken zusammengesetzt werden. Durch diese Bauart muss man jedoch auf einige Vorteile der „festen Acht“ wie die Frequenzstabilität verzichten.

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Nierenrichtcharakteristik

Die Nierenrichtcharakteristik mit ihren Unterarten Super- und Hyperniere ist die am weitesten verbreitete Richtcharakteristik. Die „klassische“ Nierenrichtcharakteristik wird in den meisten Fällen durch ein sogenanntes akustisches Laufzeitglied (Schallkanäle, akustische Reibungswiderstände oder auch unwirksame Blindmembranen) erreicht. Von hinten eintreffender Schall erreicht die Membran auf zwei Wegen: (1) Er erregt die Membran von hinten. (2) Der Schall beugt sich um das Mikrofon und aktiviert die Membran von vorn. Beides würde ohne ein akustisches Laufzeitglied zeitgleich passieren und das Auslenken der Membran erschweren oder verhindern. Entsprechend wird das Eintreffen des von hinten eintreffenden Schalls über das Laufzeitglied zeitlich verzögert. Das bedeutet jedoch auch, dass von hinten eintreffender Schall nicht mehr direkt von hinten eintrifft, sondern umgeleitet wird und seitlicher eintrifft. Ohne ein akustisches Laufzeitglied würde sich das Mikrofon der Achterrichtcharakteristik annähern.

„Nieren“ sind wenig anfällig für Rückkopplungen und ermöglichen aufgrund ihres breiten Aufnahmewinkels Bewegungen vor dem Mikrofon ohne allzu große Signalbeeinträchtigungen, weswegen sie sich gut für die Bühne eignen. Da Nierenmikrofone stets gerichtet sind, eignen sie sich zudem sehr gut zum Isolieren von Klangquellen bspw. bei der Mikrofonierung von Schlagzeugen oder Bläserensembles. Hyper- und Supernieren unterscheiden sich von den „normalen“ Nieren darin, dass sie für von hinten auftreffenden Schall empfänglich sind, jedoch noch nicht in dem Maße wie eine „Achterrichtcharakteristik“.

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Nahbesprechungseffekt

Der Nahbesprechungseffekt (auch Naheffekt oder engl. „proximity effect“) meint die Überbetonung von tiefen Frequenzen im Nahfeld eines Druckgradientenmikrofons. Das betrifft damit alle Richtmikrofone. Der Frequenzgang erfährt für nahe am Mikrofon befindliche Schallquellen eine Anhebung und Überbetonung von tiefen Frequenzen. Dieser Effekt kann unerwünscht auftreten oder als ästhetisches Mittel zur Gestaltung des Klanges eingesetzt werden. Es gilt: Je geringer der Mikrofonabstand zur Klangquelle, je tiefer die Frequenz der Klangquelle, desto größer der Nahbesprechungseffekt. Weiterhin: Je stärker die Richtwirkung des Mikrofons, desto stärker der Nahbesprechungseffekt.

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© Max Alt

  • Collins, Karen. Studying Sound. A Theory and Practice of Sound Design. Cambridge (MA): The MIT Press 2020.
  • Dickreiter, Michael. Mikrofon-Aufnahmetechnik. Stuttgart: S. Hirzel Verlag 1984. 
  • Hodgson, Jay. Understanding Records. A Field Guide to Recording Practice. New York: Continuum 2019.

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