Universität Bonn

Sound Design in digitalen Umwelten

Oszilloskop.png

Klangvisualisierung

1789 stellt der promovierte Jurist Ernst Florens Friedrich Chladni der Wissenschaft ein Verfahren vor, das Hören und Akustik voneinander trennt und so die physikalische Akustik reformiert. Mit den nach ihm benannten chladnischen Klangfiguren lässt sich eine Vielzahl an Schwingungsbewegungen visualisieren, die für das menschliche Gehör nicht zwangsläufig zu unterscheiden sind. Für die Erzeugung der Klangfiguren streute Chladni Sand auf Platten und Membranen (oftmals aus Glas), die mit einer Saite oder einem Stab verbunden sind. Platte, Saite oder Stab wurden dann mit einem Geigenbogen gestrichen oder angeschlagen, was dazu führte, dass der Sand Muster bildete. Verschiedene Töne formten letztlich verschiedene Sandmuster. Jene chladnischen Klangfiguren ermöglichen einen Blick auf und in Schwingungsformen und damit auch in Klang. In der Wissens- und Wissenschaftsgeschichte begegnet man gelegentlich solchen Apparaten und/oder Methoden der Visualisierung von Klang.

Neben den chladnischen Klangfiguren haben auch die sogenannten Lissajous-Figuren (1855) ihren Einzug in die Wissenschaftsgeschichte gefunden. Die nach dem Physiker Jules Antoine Lissajous benannten Figuren entstehen aus einer Anordnung von Stimmgabeln, Spiegeln und einem Lichtstrahl. Hierfür werden zwei Stimmgabeln, an denen kleine Spiegel angebracht sind, im Winkel von 90 Grad zueinander positioniert und ein Lichtstrahl so eingestellt, dass er von beiden Spiegeln reflektiert wird. Dadurch lässt sich die Kombination der Schwingungsbewegungen auf einer Projektionsfläche wiedergeben und eine zweidimensionale Schwingungsform sichtbar machen. Im Gegensatz zu den chladnischen Figuren finden die Lissajous-Figuren noch heute ihren Einsatz auf Oszilloskopen, Goniometern und vergleichbarer Metering-Software.

Auch im Bereich der Geschichte der Sprachforschung spielen Techniken der Klangvisualisierung eine wichtige Rolle. Hierbei handelt es sich meistens um Zeichensysteme, die der Codierung von Sprachlauten dienen. Hervorzuheben sind hier die Arbeiten von Alexander Melville Bell zur „visible speech“, einem Lautschriftsystem für Gehörlose aus dem Jahr 1867. Bells „visible speech“ sollte gehörlosen Menschen dabei helfen, gesprochene Sprache zu erlernen. So besteht das Zeichensystem von Bell aus Informationen zu Artikulationsart und Artikulationsort eines Lautes.

Nach diesem kurzen historischen Abriss sollen im Folgenden einige Verfahren und Apparate zur Visualisierung von Klang, die noch heute im Bereich der Musikproduktion im Einsatz sind, nähergebracht werden.


Oszilloskop

Das Oszilloskop ist ein elektronisches Messgerät, das vorwiegend zur Sichtbarmachung von zeitlichen Spannungsverläufen eingesetzt wird. In einem zweidimensionalen Koordinatensystem bildet das Oszilloskop einen Verlaufsgraphen dar, der meist als spezifische Wellenform beschrieben werden kann. Auf der x-Achse wird der Zeitwert sichtbar, auf der y-Achse der Spannungswert. Über das Messgerät lässt sich also die charakteristische Form eines periodischen Verlaufs erfassen. Das auf dem Oszilloskop entstehende Bild heißt Oszillogramm.

Wellenform einer verzerrten Kickdrum
Wellenform einer verzerrten Kickdrum © Max Alt

Goniometer

Ein Goniometer ist zum einen ein Winkelmesser, zum anderen, darum handelt es sich hier, ein Messinstrument zur Phasenlage im Stereobild. Dieses dient der Bestimmung der Beziehung zwischen dem linken und rechten Kanal eines Stereomixes. Es wird deswegen auch Korrelationsgradmesser od. Stereosichtgerät genannt. Dabei werden die Phasenbeziehungen der jeweiligen Kanäle in Korrelation gesetzt und auf Auslöschungen hin überprüft. Im extremsten, zumeist theoretischen Fall liegt auf beiden Kanälen dasselbe Audiosignal an, wovon eines jedoch phasenverdreht ist, was zu einer kompletten Auslöschung und damit zur Stille führt. In der Praxis tauchen diese Frequenzauslöschungen im kleinen Stil als sogenannte Phasenprobleme im Stereobild gelegentlich auf. Das Goniometer macht diese sichtbar. Entscheidend trägt das Goniometer deshalb zur Beurteilung der Monokompatibilität (Radio, Autoradio, Küchenradio) bei. Die Skala des Goniometers verläuft von -1 bis +1. Der Wert +1 auf dem Goniometer gibt eine absolute Monokompatibilität an.

Korrelationsgradmesser
Visualisierung der Phasenbeziehung zweier Kanäle - Angaben zum Mono- und Stereoverhalten des Signals © Max Alt

Spektrogramme


Das Spektrogramm ist eine Visualisierung des zeitlichen Verlaufs des Frequenzspektrums eines eingehenden Signals. Auch wenn Spektrogramme in der Musikwissenschaft und in der Audioproduktion eher zur Analyse von Audiosignalen und zur Sichtbarmachung von klanglichen Spezifika oder Anomalien dienen, so kommen Spektrogramme auch in signal- und bildverarbeitenden Kontexten vor. Spektrogramme sind keine eigenständigen Messapparate, sondern das visuelle Ergebnis einer Signalanalyse. Die zeitabhängige Darstellung des Frequenzspektrums wird i.d.R. mithilfe der Kurzzeit-Fourier-Transformation realisiert. Bereits in den späten 1940er-Jahren wurden Spektrogramme in phonetischen Laboren in den USA zur Sprachanalyse eingesetzt. Hier werden die zeitvarianten Darstellungen des Frequenzspektrums jedoch Sonagramm genannt. Der dazugehörige Apparat heißt Sonagraph, ein Instrument zur Sichtbarmachung von Sprache, Worten und Wortlauten in Form von Sonagrammen.

Zwischen 1947 und 1948 gründete Elmo Edward Crump die Firma „Kay Electronic Co“. Als ehemaliger Mitarbeiter der Bell Labs im Bereich Messtechnik konnte Crump schnell auf dem Markt anknüpfen. Bereits 1951 beauftragten die Bell Labs Kay Electronic einen ersten kommerziellen „Sound Spectrograph“ zu entwickeln. Der sogenannte „Kay Sona-Graph DSP-5500“ ist ein analoges Instrument zur Echtzeitanalyse des zeitvarianten Frequenzspektrums eines Audiosignals (ohne Einsatz von Computertechnik, auch wenn das Gerät eine Schnittstelle zur Weiterverarbeitung der Daten bereithielt). Der „DSP-5500“ besteht aus mehreren Komponenten: aus einem Drucker, einem Monitor, einem Mikrofon und der Steuerkonsole. Das Spektrogramm bzw. Sonagramm des aufgenommenen oder eingehenden Klangmaterials kann nach der Spektralanalyse durch den „DSP-5500“ auf Papier ausgedruckt werden. Das Gerät fand vielfältigen und weitverbreiteten Einsatz, vor allem in den Bereich der Linguistik und Bioakustik.

Mit der Einführung von Digitaltechnik wurden analoge Sonagraphen wie der „DSP-5500“ durch Computer-gestützte Verfahren der Spektralanalyse ersetzt. Auch in der Musikwissenschaft finden Spektrogramme ihren Platz. Die gängigste Software in diesem Bereich ist die Open-Source-Anwendung „Sonic Visualiser“. Die vielfältig anwendbare Software gibt eine Vielzahl an Optionen zur Visualisierung von Audiomaterial aus, von denen das Spektrogramm nur eine ist. Spektrogramme werden i.d.R. wie folgt gelesen werden. Die x-Achse entspricht der Zeitachse. Die y-Achse hingegen gibt die Frequenz an (als Pitch oder Tonhöhe wahrgenommen). Unterschiedliche Farben oder Schattierungen wiederum geben die Energie bzw. die Dynamik der einzelnen Frequenzen oder Frequenzbänder an (als Intensität oder Lautstärke wahrgenommen).

Spektrogramm
Snapshot eines Spektrogramms - erstellt mit Sonic Visualiser © Max Alt
Spektrogramm Drum Loop.png
Spektrogramm eines House Drum Loops aus Kick, Snare und HiHat - erstellt mit Sonic Visualiser © Max Alt
Spektrogramm Pad + Filter.png
Spektrogramm eines obertonreichen Synthesizer Pads mit sich schließendem 12 db/Oct Low-Pass-Filter - erstellt mit Sonic Visualiser © Max Alt
Spektrogramm Melodie.png
Spektrogramm einer Synthesizer Melodie in f Moll; gut zu erkennen sind Pausen, Grundtöne und das Obertonspektrum des Synthesizers - erstellt mit Sonic Visualiser © Max Alt

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