Universität Bonn

Sound Design in digitalen Umwelten

Über das Lehrforschungsprojekt

Das Lehrforschungsprojekt „Sound Design in digitalen Umwelten“ dient der Verbesserung und Weiterentwicklung der Lehre in digitalen Kontexten. Die Entwicklung und Implementierung neuer Lehrkonzepte und -methoden, die den Anforderungen der digitalen Umwelt des 21. Jahrhunderts gerecht werden, stehen hierbei im Zentrum. Das Projekt erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Lehrenden und Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen und Fakultäten. Die Lehrkonzepte sollen während der Projektzeit entwickelt, in die Lehre implementiert, evaluiert und optimiert werden. Neben der universitätsinternen Perspektivierung der Ergebnisse des Projektes zur Verbesserung der Lehre sollen die entworfenen Methoden und Konzepte auch im Fach Musikwissenschaft und in den Sound Studies zur Diskussion gestellt werden. Durch angestrebte Publikationen und Präsentationen der Methoden bei Fachtagungen soll das Projekt als fachdidaktisches Leuchtturmprojekt vorgestellt werden. Die Kooperationen verleihen dem Lehrforschungsprojekt einen stark interdisziplinären und vielfältigen Charakter.

Die praktische Übung „PÜ2 Sound Design“ ist ein fester Bestandteil des Lehrplans und obligatorisch für einen erfolgreichen Abschluss des BA „Musikwissenschaft/Sound Studies“. Die Integration des Sound Design in das musiktheoretische BA-Modul M2 „Fachspezifische Grundlagen: Musiktheorie, Klangkonzepte, Sound Design“ kennzeichnet das Lehrprofil der Abteilung maßgeblich. Denn entgegen dem gängigen Verständnis von Musiktheorie, das die Bereiche Kontrapunkt, Harmonie- und Formenlehre sowie die musikalische Analyse umfasst, die vielerorts so gelehrt werden, schließt die Bonner Abteilung Musikwissenschaft/Sound Studies eine technikgeschichtliche, kultur- und medienwissenschaftliche Klangforschung im Sinne der Sound Studies in den Begriff der Musiktheorie mit ein. Der Übung „Sound Design“ kann deshalb besondere Bedeutung beigemessen werden, denn sie ist auf theoretischer, fachlicher und curricularer Ebene ein markantes Alleinstellungsmerkmal der Bonner Abteilung. Das Lehrforschungsprojekt will dieses Merkmal und das damit zusammenspielende Kompetenzprofil durch Profilierung der praktischen Übung „Sound Design“ entwickeln.  

Die Lehrveranstaltung „Sound Design“ dient den Studierenden zum Erwerb fachspezifischer Grundlagen in den Bereichen Klangtheorie, -gestaltung und -analyse. Im Sinne der Sound Studies werden hierbei historische, medientechnologische und musik- wie kulturwissenschaftliche Perspektiven auf die Gestaltung von Musik und Klang gewonnen. Die praktische Übung möchte die Studierenden für einen Zugang zu Musik und Klang über Sound Design sensibilisieren. Versteht man Sound nach Friedrich Kittler als das „Unaufschreibbare an der Musik“ und gleichsam „ihre Technik“ und Design als die Formgestaltung eines Objektes, so lässt sich durch den Begriff Sound Design eine Perspektive einnehmen, die Musik und Klang anhand der historischen und medientechnischen Bedingungen ihrer Gestaltbarkeit begreifbar macht. Musik und Klang als Design oder auch von ihrer Produktion her zu denken, heißt, sie als formbare, sozial, historisch und medientechnisch bedingte Objekte zu verstehen.

Damit Studierende ein differenziertes und kritisches Verständnis von digitalen Technologien als Bestandteil von musikalischen Praktiken entwickeln können, muss zukunftsorientierte Lehre in der Musikwissenschaft und in den Sound Studies verstärkt auch auf die Integration von digitalen Produktions- und Analysetools in einer vernetzten Arbeitsumgebung setzen. Das Modul M2 „Fachspezifische Grundlagen: Musiktheorie, Klangkonzepte, Sound Design“ beinhaltet die praktische Übung, bei der die Studierenden die analytische Arbeit mit einschlägigen Computerprogrammen im Bereich Sound Design erlernen sowie das vermittelte Wissen in eigenständigen und gemeinschaftlichen Projekten (u. a. Klangcollagen, Field Recordings, Podcasts, Sound Designs und Tracks) zur Anwendung bringen. Das projektbezogene Arbeiten fördert die individuellen Potentiale der Studierenden und schafft eine vielfältige Lern- und Arbeitsumgebung. Die praktische Übung „Sound Design“, entsprechend dem Kompetenzprofil des Bachelorstudiengangs „Musikwissenschaft/Sound Studies“ verstanden als „Satzlehre“ im digitalen Zeitalter, nimmt verstärkt auch Klanggestaltung in (populären) Musikkulturen in den Blick, die in einer postkolonialen Tradition stehen und in denen sich überdies prominent Versuche finden, durch technische Modulationen binäre Gendergrenzen aufzulösen. In Hinblick auf das den Bachelorstudiengang „Musikwissenschaft/Sound Studies“ auszeichnende kompetenzorientierte Lehren und Lernen fördert das Lehrforschungsprojekt für die Lehrenden die Entwicklung von Lehrkompetenz in Bezug auf die nachhaltige Integration von digitalen Werkzeugen in die Lehre, für die Studierenden die Entwicklung  von IT-Kompetenzen, Kompetenzen im kollaborativen digitalen Arbeiten, klanganalytischen und -gestalterischen Kompetenzen und nicht zuletzt auch – in Hinblick auf die untersuchten Musikkulturen – Diversitätskompetenzen.

Ein dringendes Anliegen der praktischen Übung Sound Design ist die Sensibilisierung der Studierenden für ihre Klangumwelt. Durch Soundwalks wird ein Bewusstsein für Stadtklang, Biodiversität und nachhaltige Stadtentwicklung mit Blick auf die auditive Dimension geschaffen. Dabei sollen die Studierenden Feldaufnahmen mit Hilfe von Recording und Receiving Devices erstellen, um diese in gemeinsame Projekte einfließen zu lassen. Eine Kombination aus Breitbandempfängern der Firma SOMA Laboratory, die elektromagnetische Landschaften hörbar machen, KOMA Elektronik Field Kits zur gezielten Hörbachmachung von Alltagsgegenständen und mobilen Recordern der Firma ZOOM bietet den Studierenden umfassende Möglichkeiten zur Exploration und Analyse von Klangumwelten. Durch die Übungen sollen die Studierenden auch ein Bewusstsein für die Abfälle des Sound Design wie Datenmüll und CO2-Emissionen durch Serverfarmen entwickeln. Damit schließt die Übung auch an aktuelle Forschung der Acoustic Ecology an.

Die Einbindung von virtueller Studio- und Produktionssoftware sowie Hardware in den Lehrbetrieb ist unentbehrlich, um ein kritisches Verständnis von digital „produzierter“ Musik und ihrem Verhältnis zu notierter oder aufgeführter Musik zu entwickeln. Die Software Ableton Live 11 bietet sich mit ihrem Fokus auf Echtzeitbearbeitung und -analyse von Audiosignalen hierfür hervorragend an. Der Ableton Live spezifische Ansatz für Musik- und Klangproduktionen nimmt die vielseitigen Möglichkeiten des Samplings in den Blick. Dies ermöglicht den Studierenden wiederum eine intensive analytische und kreative Auseinandersetzung mit Audiomaterial, Phänomenen der Akustik und Psychoakustik. Durch eine einheitliche Verwendung der Software soll der Austausch von medien- und musikpraktischen Projekten zwischen den Studierenden und damit auch die Betreuung der Studierenden durch die Lehrkräfte sowie die digitale Infrastruktur der Abteilung gestärkt werden. Das Zur-Verfügung-Stellen von zeitlich auf das Semester begrenzten Cloud-basierten Ableton Lizenzen sorgt überdies für gleiche Bedingungen für alle Studierenden, wodurch eine Lehre gesichert werden kann, die sowohl in Präsenz, im hybriden Modus sowie für rein digitale Unterrichtseinheiten Chancengleichheit herstellt.

Mit dem Push 2 Controller bietet Ableton ein portables Hardware-Instrument an, welches auch in der Lehre eine kreative Hands-on-Analyse und -Gestaltung von Audiomaterial ermöglicht und sich aufgrund des innovativen Interface-Designs auch in der Lehre als produktives Bindeglied der Mensch-Maschine-Beziehung erweist.

Methodik und inhaltliche Ausrichtung

Die praktische Übung „Sound Design“ ist von einem technik-, medien- und kulturhistorisch fundierten Klang- und Musikbegriff geleitet und möchte so einen Beitrag zur Medien- und Technikgeschichte von Musik und Klang leisten. Damit beruft sich die Veranstaltung auf Diskurse der Musicology of Record Production sowie einer praxeologischen Erforschung der Produktionsprozesse. Diese werden ergänzt durch eine an den Technologien des (Musik-)Hörens interessierten Forschung innerhalb der Sound Studies sowie einer kritischen Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen zwischen Technologien der Musik- und Klangproduktion und Theorien des Postkolonialismus.

Der durch R. Murray Schafer in den 1960er initiierte Forschungsbereich der Akustikökologie erfreut sich in den letzten Jahren durch die Forschung in den Sound Studies und der Musikwissenschaft wieder größerer Aufmerksamkeit. Eine von der Akustikökologie erprobte Methode zur Sensibilisierung für die auditiven Dimensionen der Umwelt (Soundscapes) sind Soundwalks. Hierbei handelt es sich um achtsame Spaziergänge, bei denen die Umwelt primär hörend wahrgenommen wird. Dabei soll ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Lebensräume für Tier und Mensch stets auch Klangräume sind. Räume des Zusammenlebens, Landschaften, Orte der Ruhe wie Parks und Wald- und Grünflächen haben eine ihnen eigentümliche Klanglichkeit, die wesentlich zu ihren sozialen und ökologischen Funktionen beiträgt.

Die praktische Übung „Sound Design“ möchte hier anknüpfen und das Soundwalk-Konzept erweitern. Die Studierenden sollen nicht nur den Umgang mit Field Recordern erlernen, sondern auch mithilfe von Breitbandempfängern, die elektromagnetische Felder hörbar machen, ein Verständnis für die Auswirkungen der Vernetzung und Mobilkommunikation auf die Klangumwelten entwickeln. Das Audiomaterial soll in Form einer Sound Map gesammelt, dargestellt und verfügbar gemacht werden. Die Sound Map dient zur Verdeutlichung der Stadt Bonn als Lebensraum anhand seiner klanglichen Besonderheiten. Das Lehrforschungsprojekt möchte mit der Sound Map jedoch keine bloße Momentaufnahme lokaler klanglicher Eigentümlichkeiten liefern, sondern im Verlaufe der Projektzeit und auch über diese hinaus auf Dynamiken hinweisen, die Rückschlüsse auf Veränderungen von Stadt- und Umweltklang zulassen. So ließen sich bspw. durch wiederholte Aufnahmen in jährlichen Abständen die Auswirkungen von städte- und landschaftsbaulichen Veränderungen anhand ihrer klanglichen Qualitäten abbilden.

Die Verbesserung der Lehrinfrastruktur für den digitalen Bereich der praktischen Übung markiert ein Hauptanliegen des Projektes. Der Einsatz von Computern und einem Software-basierten virtuellen Tonstudio ist für die „Sound Design“ Veranstaltung unerlässlich. Ziel der praktischen Übung ist es, den Studierenden grundlegende Kenntnisse des Sound Design in einer digitalen Umgebung zu vermitteln und einen sicheren Umgang mit der DAW zu verschaffen. Das virtuelle Tonstudio ist ein nicht wegzudenkender Teil der Arbeit und Forschung mit und an Musik und Klang. Für die praktische Übung ist die DAW Arbeitsplatz und Kreativort zugleich. Anhand von Übungen, Templates und Tutorials sollen die Studierenden Begriffe, Techniken und Praktiken kennenlernen und verstehen, die mit der Arbeit im analogen Tonstudio historisch gewachsen sind und nunmehr in digitalen Zusammenhängen fortbestehen.

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